Mit der GIZ unterwegs: Lass uns über Serbien reden (Teil I)

Lass uns über Serbien reden

Normalerweise erhalte ich Einladungen zu Presse- und Bloggerreisen über PR-Agenturen, die für ihre jeweiligen Kunden Ausschau nach passenden Teilnehmern halten. Daher überrascht mich im allerersten Moment der Absender dieses – eher ungewöhnlichen – Einladungsschreibens nach Serbien. Das Schreiben stammt von der GIZ, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die im Auftrag der deutschen Bundesregierung „Entwicklungshilfe“ im Ausland leistet.

Die Aufgaben der GIZ-Teams vor Ort bestehen unter anderem aus der Beratung, Finanzierung und Förderung von örtlichen Projektträgern, der Erstellung von Studien und Gutachten und – auf Serbien bezogen – der Unterstützung des Landes bei den anstehenden Prozessen des geplanten EU-Beitritts.  Als studierte Geographin kenne ich die GIZ (mein sehnlichster Wunsch als Erstsemester war es, später einmal als Entwicklungshelferin überall auf der Welt zu arbeiten…) und ich lese daher umso neugieriger das Schreiben weiter, in dem folgendes steht:

  • Einladung nach Belgrad vom 14. bis 16. Juni 2017 im Rahmen des Programms „10 plus 10“
  • 10 deutsche Blogger aller Themen und Branchen treffen auf 10 serbische Blogger und gehen gemeinsam vor Ort auf Recherchetour
  • Bei der Recherche treffen die Teilnehmer auf Projektpartner der GIZ, die vor Ort, in Kooperation mit der GIZ, ein eigenes Business aufgebaut haben

Im beiliegenden Programm erhalte ich einen Überblick über die einzelnen Projektpartner: ob innovatives IT-Startup, Bio-Bauernhof, Lederfabrikant oder Tour-Guide für Fahrradtouren entlang der Donau: die Themen klingen spannend und originell  und sind mal eine schöne Abwechslung, zu den sonst üblichen Programmbausteinen organisierter Presse- und Bloggerreisen. Noch am selben Tag schicke ich meine Unterlagen zum deutschen GIZ-Hauptsitz nach Eschborn und erhalte nach nur kurzer Zeit die Bestätigung.

 

Serbien – ein mir (noch) unbekanntes Land

Geographiestudium hin oder her – über Serbien weiß ich, wenn ich ehrlich bin, so gut wie nichts. Ich hole meinen alten Atlas aus dem Bücherschrank und versuche das Land erstmal räumlich einzuordnen.

Serbien ist umgeben von acht Nachbarländern: Ungarn, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Mazedonien, Bulgarien und Rumänien. Ländernamen, die bei mir im Hinterkopf die eine oder andere Tagesschau-Meldung wachkitzeln. Balkankrieg, ehemaliges Jugoslawien… ich stelle den Atlas zur Seite und frage Google zu den geschichtlichen Hintergründen des Landes.

Ein kurzer Abriss über die Geschichte Serbiens

Nach dem 2. Weltkrieg wird in Belgrad die Volksrepublik Jugoslawien ausgerufen. Ein Vielvölkerstaat aus den heute unabhängigen Staaten Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Makedonien und Serbien. Regierungschef Tito gestaltet die Republik nach sozialistischen Grundsätzen und wird 1963, im Rahmen einer neuen Verfassung, zum Präsident auf Lebenszeit ernannt. 1980 verstirbt der Autokrat und die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich drastisch.

Immer lauter werden die Rufe der einzelnen Teilrepubliken nach Unabhängigkeit. 1989 wird Slobodan Milosevic Nachfolger Titos – der Beginn konfliktreicher und blutiger Jahre. 1990 gibt es den ersten Aufstand im Kosovo. Als Folge wird die albanische Bevölkerung gezielt aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens zurückgedrängt (Verlust des Arbeitsplatzes, Verbot albanischer Medien, Schließung albanischer Schulen und Universitäten). 1991 verkünden Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit, 1991 folgen Makedonien und 1992 Bosnien Herzegowina. Es kommt zum Bürgerkrieg in Kroatien und Bosnien-Herzegowina: zwischen Kroaten bzw. Bosniern auf der einen Seite und Anhänger eines Groß-Serbiens auf der anderen Seite. 1992 verhängt die UNO ein Wirtschafts- und Handelsembargo, was die ohnehin durch die hohen Militärausgaben geschwächte Wirtschaft des Landes stark belastet. Immer lauter werden die Stimmen, Staatspräsident Milosevic abzulösen.

1996 gewinnt die Opposition die Wahlen in mehreren Städten, doch werden die Ergebnisse von der Regierungsspitze annulliert. 1998 kommt es zu einer erneuten Eskalation im Kosovo: die albanische Befreiungsarmee proklamiert den offenen Kampf gegen die serbische Herrschaft und fordert die volle Unabhängigkeit des Kosovo (Einschreiten der UN und NATO). 1999 bombardiert die NATO Serbien und zerstört große Teile der Infrastruktur. Noch heute sind die Spuren des damaligen Bombenhagels in Belgrad zu sehen.

2000 finden die Konflikte mit der Wahl von Oppositionschef Vojislav Kotunica ein Ende. Er tritt die Nachfolge Milosevics an, und die EU hebt einen Großteil der Sanktionen auf und verspricht umfangreiche Wirtschaftshilfe. Neben den Unabhängigkeitserklärungen der einzelnen Staaten und dem Zerfall der Republik Jugoslawien werden Milosevic sowie weiterer Kriegsverbrecher in den anschließenden Jahren an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgeliefert. 2008 schließt die EU mit Serbien ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen.

Seit 2012 ist Serbien offizieller EU-Beitrittskandidat

Und hier kommt die GIZ wieder ins Spiel, die gemeinsam mit den serbischen Partnern vor Ort im Auftrag der Bundesregierung diese Beitrittsprozesse unterstützt, die wirtschaftlichen Strukturen stärkt und den Menschen vor Ort dabei hilft, ein Verständnis für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufzubauen – denn, mit Blick auf die Geschichte, woher sollen sie dieses ansonsten haben?!?

Ich bin froh, dass ich mich jetzt durch die Geschichte gelesen habe, denn nun habe ich ein Grundverständnis von dem Land, das mich in wenigen Tagen erwartet.

Berichte von Blogger-Kollegen über das Reiseland Serbien gibt es bislang nur wenige (Nicole von Unterwegs & Daheim und Anita vom Schweizer Blog Travelita waren 2015 vor Ort), obwohl die Einreisebedingungen mittlerweile recht einfach erscheinen – ich benötige lediglich einen gültigen Personalausweis und ich sollte vor Ort ein paar meiner Euro in die Landeswährung, den serbischen Dinar, tauschen um nicht nur von meiner Kreditkarte abhängig zu sein.

Den zweiten Teil meiner Reisegeschichte nach Serbien im Auftrag der GIZ findest du hier

Die Reise fand in Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit statt. Der Artikel gibt die Meinung der Autorin wieder.

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